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// Ergänzung des Zitates von Theodor Herzl, 29. August 2001_ 
Kaigasse 2
Auf der Salzburger Gedenktafel für Theodor Herzl steht ein unvollständiges Zitat aus seinem Tagebuch: "In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens zu." Der entscheidende Nachsatz: "Ich wäre auch gerne in dieser schönen Stadt geblieben, aber als Jude wäre ich nie zur Stellung eines Richters befördert worden." fehlt. Die Rückgabestelle gibt nun dem Zitat seinen Sinn zurück.
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// Strafverfahren eingeleitet_

 

Schwere Sachbeschädigung -
oder notwendige Ergänzung eines gefälschten Zitats?

Die Republik Österreich, Landesgericht Salzburg hat gegen den Künstler Wolfram P. Kastner, der zusammen mit Martin Krenn eine Klasse an der Sommerakademie für Bildende Kunst 2001 leitete, ein Strafverfahren wegen "schwerer Sachbeschädigung" eingeleitet und ein deutsches Amtsgericht um Amtshilfe und "Abhörung" ersucht.

Was ist der Grund?

Der Begründer des Zionismus Dr. Theodor Herzl, der sein Rechtsreferendariat am Salzburger Landesgericht ableistete, schrieb in sein Tagebuch:
"In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens zu. Ich wäre auch gerne in dieser schönen Stadt geblieben, aber als Jude wäre ich nie zur Stellung eines Richters befördert worden."
Die Stadt Salzburg brachte im Jahr 2001 dort eine Marmortafel mit dem sinnentstellend verkürzten Zitat an: "In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens zu."

Am 29. August 2001 nahmen Wolfram P. Kastner und Martin Krenn mit den Studierenden in aller Öffentlichkeit eine handschriftliche Vervollständigung des Zitats vor (s. Presseberichte und www.t0.or.at/rueckgabe). Sie sahen darin eine "Rückgabe der unterschlagenen Worte", in der Hoffnung, dass dies die Verantwortlichen dazu bewegen könnte, ihren Fehler zu erkennen und zu verbessern.

Statt den Hinweis aufzugreifen und ohne Aufsehen eine Tafel mit dem vollständigen Zitat anzubringen, wurde die handschriftliche Ergänzung nach drei Tagen fein säuberlich mit weißer Farbe übermalt. Darüber hinaus verfolgt die österreichische Justiz mit der Einleitung des Strafverfahrens offenbar sogar die Absicht, die oben angeführte Kunstaktion zu kriminalisieren.

Wolfram P. Kastner sagt dazu: "Der Missbrauch des Zitats zu touristischen Werbezwecken und das Beharren darauf erscheinen nicht nur mir als eine subtile Form von latentem Antisemitismus und amtlicher Präpotenz. Die österreichische Justiz hätte wahrlich andere Möglichkeiten, sich sinnvoll zu beschäftigen: in Salzburg z.B. kann man einen VW-Passat mit der Aufschrift "ss S-TURM 1" herumfahren sehen, unbeanstandet und mit amtlicher Genehmigung. Wurde da die Justiz aktiv oder ist sie traditionell auf einem Auge blind?"

Martin Krenn: "Die Tendenz zur Kriminalisierung von politischen Aktionen und die Einschränkung der künstlerischen Freiheit nimmt in Österreich bedauerlicher Weise zu. Aus meiner Sicht muss dem entschieden entgegen getreten werden."

Aussendung, 25. Januar 2002

 
// Pressereaktionen

 

Die Republik Österreich, Landesgericht Salzburg, hat gegen den Künstler Wolfram P. Kastner, der zusammen mit Martin Krenn eine Klasse an der Salzburger Sommerakademie für Bildende Kunst 2001 leitete, ein Strafverfahren wegen "schwerer Sachbeschädigung" eingeleitet und ein deutsches Amtsgericht um Amtshilfe und "Abhörung" ersucht. Was ist der Grund? Der Begründer des Zionismus, Dr. Theodor Herzl, der sein Rechtsreferendariat am Salzburger Landesgericht ableistete, schrieb in sein Tagebuch: "In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens zu. Ich wäre auch gerne in dieser schönen Stadt geblieben, aber als Jude wäre ich nie zur Stellung eines Richters befördert worden." Die Stadt Salzburg brachte im Jahr 2001 also am Landgericht eine Marmortafel mit dem sinnentstellend verkürzten Zitat an: "In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens zu." Am 29. August 2001 nahmen Wolfram P. Kastner und Martin Krenn mit den Studierenden in aller Öffentlichkeit eine handschriftliche Vervollständigung des Zitats vor. Sie sahen darin eine "Rückgabe der unterschlagenen Worte", in der Hoffnung, dass dies die Verantwortlichen dazu bewegen könnte, ihren Fehler zu verbessern. Statt den Hinweis aufzugreifen und eine Tafel mit dem vollständigen Zitat anzubringen, wurde die handschriftliche Ergänzung nach drei Tagen übermalt. Darüber hinaus verfolgt die österreichische Justiz mit der Einleitung des Strafverfahrens offenbar die Absicht, die Kunstaktion zu kriminalisieren. Wolfram P. Kastner sagt dazu: "Der Missbrauch des Zitats zu touristischen Werbezwecken erscheint nicht nur mir als eine subtile Form von latentem Antisemitismus und amtlicher Präpotenz."

taz Nr. 6662 vom 29.1.2002

 

Streit um Gedenktafel für Theodor Herzl
Vorwurf: "Subtiler Antisemitismus"

Salzburg - Der Münchner Aktionskünstler Wolfram Kastner hat wieder mit den österreichisch Behörden zu tun. Nach den gerichtlichen Auseinandersetzungen um Kastners künstlerische Proteste gegen den alljährlichen Aufmarsch der Kameradschaft IV der Waffen-SS am Salzburger Kommunalfriedhof läuft jetzt ein neues Strafverfahren. Der Vorwurf lautet auf schwere Sachbeschädigung. Wieder ist es eine von Kastners unbequemen Kunstaktionen, welche die Justiz auf den Plan rief.

Gemeinsam mit Studenten der Internationalen Sommerakademie hatte der Künstler im August vergangenen Jahres eine von der Landeshauptstadt in Erinnerung an die Salzburger Zeit des Begründers des Zionismus, Theodor Herzl, angebrachte Tafel handschriftlich "ergänzt".

"In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens zu", steht auf der Marmortafel in der Altstadt zu lesen. Kastner hat recherchiert und festgestellt, dass dieses Zitat aus Herzls Tagebuch grob verkürzt wurde: "Ich wäre auch gerne in dieser schönen Stadt geblieben, aber als Jude wäre ich nie zur Stellung eines Richters befördert worden", notierte Herzl über sein am Salzburger Landesgericht absolviertes Rechtsreferendariat weiter im Tagebuch.

Das Zitat derart sinnentstellend zu verkürzen sei "eine subtile Form von latentem Antisemitismus", befand Kastner und schritt in einer öffentlichen Aktion zur handschriftlichen Vervollständigung des Zitats an der offiziellen Erinnerungstafel. Drei Tage später wurde diese "Rückgabe der unterschlagenen Worte" wieder fein säuberlich übermalt, ein halbes Jahr später ein deutsches Amtsgericht um Amtshilfe und Anhörung ersucht. (neu)

Der Standard, 2001-01-28


 

WAS WAR
Herzl zensuriert. In der Stadt Salzburg wurde vergangenes Jahr eine Marmortafel mit lobenden Worten des Zionismus-Begründers Theodor Herl angebracht. "In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lehens zu", hatte Herl bei einem Aufenthalt in der Mozartstadt in sein Tagebuch geschrieben. Nicht in Marmor gemeißelt wurde aber der zweite Satz der Tagebucheintragung: "Ich wäre auch gerne in dieser schönen Stadt geblieben, aber als Jude wäre ich nie zur Stellung eines Richters befördert worden." Diesen nicht unwichtigen Nachsatz schrieb der Künstler Wolfram P. Kastner gemeinsam mit Martin Krenn im August 2001 in einer öffentlichen Aktion unter die Tafel. Nun sollen die beiden Künstler gerichtlich belangt werden. Ein Strafverfahren wurde bereits eröffnet, das Strafmaß beträgt bis zu drei Jahre Haft. Die handschriftliche Ergänzung des Zitates ist mittlerweile von den Behörden übermalt worden.

Falter vom 6.2.2002

 

"Rückgabe" nannte sich das Projekt, das in Salzburg im vergangenen Sommer für Aufsehen sorgte.

Im Rahmen der Internationalen Sommerakademie erarbeiteten die Künstler Wolfram P. Kastner und Martin Krenn gemeinsam mit Studierenden ein Projekt, das sich mit den NS-Raubzügen und "Arisierungen' in der Festspielstadt und mit den bis heute angewandten Verschleierungstaktiken auseinandersetzte.

Nach genauen historischen Recherchen startete die Gruppe die "Intervention Rückgabe". Die Galerie 5020 wurde zur "Rückgabestelle Salzburg", wo im Rahmen einer Ausstellung Dokumente verweigerter Rückgabe von arisiertem Eigentum gezeigt wurden. Nicht nur Geschäftsleute, die im Zuge der Arisierungen Läden insbesondere jüdischer Mitbürgerlnnen zu Spottpreisen erstanden, auch unzählige Salzburger Privatpersonen haben vielleicht bis heute Dinge in ihrem Besitz, die ihren jüdischen Eigentümerinnen geraubt worden waren.
Bis auf ganz wenige Ausnahmen wurde nie etwas zurück gegeben, das Wissen darum verborgen gehalten. Die Mitglieder der Rückgabestelle Salzburg" begaben sich im August schIießlich an mehrere Orte der Stadt und brachten grellgelbe Schilder mit der Aufschrift "Sichergestellt" an. Zwei Beispiele für sichergestellte Objekte: "Am Mirabellplatz 6 lebten bis 1938: Dipl. Ing. Rudolf Müller (gestorben im KZ Theresienstadt), Adelheid Müller, Karoline Löwy und Paul Löwy. Hier befanden sich das Kleiderhaus "Zum Matrosen" und ein Galanteriewarengeschäft. Die Geschäftsleute und Bewohnerlnnen wurden von Nazis und ihren Nutznießern beraubt und verjagt. ihr Eigentum wurde bis heute de facto nicht zurückgegeben. Es wird hiermit sichergestellt." Zweites Beispiel: ‚Am Alten Markt 12 war bis 1938 das Kaufhaus Schwarz, dessen jüdische Eigentümer Walter (1938 in Gestapohaft getötet), Max und Paul Schwarz von den Nazis und ihren willigen Helfern beraubt und außer Landes getrieben wurden. Nach 1945 wurde ihr persönliches Eigentum gar nicht und ihr wirtschaftliches Eigentum nur teilweise zurückgegeben. Es wird hiermit sichergestellt!"

Noch etwas ganz anderes gab die Rückgabestelle zurück, nämlich den Sinn eines Zitats von Theodor Herz!, dem Begründer des Zionismus, der am Salzburger Landesgericht sein Rechtsreferendariat ableistete und damals in sein Tagebuch notierte: "In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens zu. Ich wäre auch gern in dieser schönen Stadt geblieben, aber als Jude wäre ich nie zur Stellung eines Richters befördert worden." 2001 ließ die Stadt Salzburg am Landesgericht eine Gedenktafel anbringen und wählte dafür aus diesem Zitat exakt den ersten Satz aus. Am 29. August vervollständigte die Rückgabestelle das Zitat handschriftlich und in aller Öffentlichkeit. Drei Tage später wurde die Handschrift fein säuberlich mit weißer Farbe übermalt: Die Republik Österreich in Form eben dieses Landesgerichts Salzburg hat nun ein Strafverfahren gegen den Münchner Künstler Wolfram P. Kastner eingeleitet. Wegen schwerer Sachbeschädigung. Kastner verteidigt die "Tat": "Der Missbrauch des Zitats zu touristischen Werbezwecken und das Beharren darauf erscheinen nicht nur mir als eine subtile Form von latentem Antisemitismus und amtlicher Präpotenz."

Sylvia KöchI

Volksstimme, 2. Feb. 2002

 

"Salzburgkritische Passage" hat Nachspiel

SALZBURG-STADT (SN-pab). Die im vergangenen Sommer an der Salzburger Residenz angebrachte Gedenktafel für Theodor Herzl sorgt weiter für Aufregung. Zitiert wird auf der Tafel nur das Salzburg-Lob des Begründers des Zionismus. "In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens zu. Sommer 1885." Verschwiegen wird der Nachsatz: "Ich wäre auch gerne in dieser schönen Stadt geblieben, aber als Jude wäre ich nie zur Stellung eines Richters befördert worden." Nun wurde gegen den Münchner Künstler Wolfram Kastner ein Strafverfahren eingeleitet. Er hatte das Herzl-Zitat gemeinsam mit Studenten der Salzburger Sommerakademie handschriftlich um die "ganze Wahrheit" ergänzt. Der Vorwurf des Landesgerichts Salzburg lautet auf schwere Sachbeschädigung. "Ich habe damit gerechnet, dass die Tafel neu aufgehängt wird", sagte Wolfram Kastner. Das Strafverfahren sieht er als "Aktion gegen die Freiheit der Kunst und die Meinungsfreiheit sowie als eine Form von Antisemitismus".

Salzburger Nachrichen, 11.Feb.2002

 
Künstler wegen Zitat vor Gericht

Herzl-Gedenktafel in Salzburg „beschmiert“

Eine Gedenktafel für den Begründer des Zionismus, Theodor Herzl, an der Neuen Residenz in der Salzburger Altstadt sorgt auch ein halbes Jahr nach der Anbringung noch für Aufregung.

Eine Gruppe von Studierenden hatte am 29. August 2001 das auf der Tafel verewigte Zitat handschriftlich ergänzt. Jetzt wurde der Leiter der Gruppe, ein Münchner Künstler, wegen Sachbeschädigung angezeigt.

„In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens zu. Sommer 1885. Dr. Theodor HERZL 1860-1904“, steht auf der Tafel, welche die Stadt Salzburg anbringen ließ. Wolfram Kastner, der im Sommer 2001 eine Klasse an der Sommerakademie in Salzburg leitete, ergänzte mit einer Gruppe von Studierenden den Spruch aus Herzls Tagebuch. Auf die Tafel wurde mit einem Filzmarker „Begründer des Zionismus“ geschrieben. Auf der Residenz-Mauer schrieb die Gruppe den Tagebuch-Satz zu Ende.

Nun flatterte dem Künstler eine Ladung des Amtsgerichts München ins Haus. Kastner muss am 14. Februar zu einer „Abhörung“ erscheinen, weil das Landesgericht Salzburg ein Strafverfahren wegen des Verdachts der schweren Sachbeschädigung eingeleitet hat. Schwer deshalb, weil die Residenz unter Denkmalschutz steht.

Kurier, Montag, 11.02.2002

 

Gerichtliches Nachspiel für reduziertes Herzl-Zitat Der Text einer Gedenktafel für Theodor Herzl in Salzburg wird gerichtsanhängig.
"In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens zu." Dieses Zitat Theodor Herzls über jene Stadt, in der er 1885 ein Gerichtspraktikum absolvierte, sorgt in Salzburg seit Monaten für Diskussionen. Der Text auf der Gedenktafel, die im Juli 2001 an der Rückseite des Salzburger Glockenspiel-Gebäudes angebracht wurde, ist nämlich nur der erste Satz einer Passage aus Herzls Memoiren. Der zweite Teil des Zitats wurde verschwiegen: "Ich wäre auch gerne in dieser schönen Stadt geblieben; aber als Jude wäre ich nie zur Stellung eines Richters befördert worden." Kritiker sprachen von Beschönigung und Mißbrauch Herzls. Nun könnte ein gerichtliches Nachspiel folgen.Der Münchner Wolfram P. Kastner wurde wegen des Verdachts der "schweren Sachbeschädigung" angezeigt. Er hatte mit einer Studenten-Gruppe der Salzburger Sommerakademie für Bildende Kunst im Vorjahr das Zitat auf der Gedenktafel handschriftlich vervollständigt. Die Künstler sahen darin eine "Rückgabe der unterschlagenen Worte". Angezeigt wurde die unerlaubte Ergänzung von der Liegenschaftsverwaltung des Landes Salzburg als Eigentümer des denkmalgeschützten Gebäudes. Kastner wurde für kommenden Donnerstag zur Anhörung ins Amtsgericht München geladen. Das Landesgericht Salzburg hat die Kollegen in Bayern um Amtshilfe gebeten.Kritik an der Anzeige kommt von der IG Bildende Kunst und vom Salzburger Publizisten Clemens M. Hutter, der zu den vehementesten Kritikern des verkürzten Erinnerungstafel-Textes gehört. Alle Versuche von Vergangenheits-Aufarbeitung hätten in Salzburg wenig gefruchtet, meinte Hutter. c.l.

 

Die Presse, 13.02.2002

 

Land löste Ermittlungen aus

SALZBURG (SN). Das Land Salzburg hat die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den Münchner Künstler Wolfram Kastner ausgelöst. Die Liegenschaftsverwaltung hat nach Rücksprache mit LH-Stv. Wolfgang Eisl (ÖVP) eine Sachverhaltsdarstellung an das Gericht geschickt. Gegen Kastner läuft ein Verfahren wegen schwerer Sachbeschädigung. Er hat eine an der Residenz von der Stadt Salzburg angebrachte Gedenktafel für Theodor Herzl ergänzt: um den salzburgkritischen Teil eines Zitates, das dort veröffentlicht wurde.
Eisl sagte, dass er es nicht akzeptiere, wenn das Eigentum des Landes beschädigt, in diesem Fall beschmiert, werde. Das sei eine prinzipielle Haltung.

Der Schaden für das Land durch die Aktion Kastners beträgt 145 Euro.

Salzburger Nachrichen, 12.Feb.2002
Ressort: LOKALES

 
Salzburg: Beachtliches Bekenntnis, doch Angst vor eigener Courage

˘ von Roman Hinterseer

Der Salzburger Landtag legte ein bemerkenswertes Bekenntnis zum bewussten Umgang mit der Geschichte ab. In letzter Konsequenz bekamen dann aber doch viele Politiker Angst vor der eigenen Courage.

Walter Thaler, engagierter SP-Klubobmann, hatte den Antrag eingebracht: „Der Salzburger Landtag lehnt mit aller Entschiedenheit antisemitische, fremdenfeindliche, extremistische und demokratiepolitisch bedenkliche Wortspiele und Äußerungen ab.“ Der Verfassungs- und Verwaltungsausschuss stimmte diesem Antrag zu. „Verbale Flegeleien a´ la Ried und Kärnten sowie Geschichtsumdeutungen sind damit bei uns unmöglich“, zeigte sich Thaler zufrieden.

Doch die Nagelprobe bestanden die Landtagsabgeordneten von SP, VP und FP schon kurz darauf nicht. Die Grünen hatten die „historisch korrekte Vervollständigung des Zitats an der Theordor-Herzl-Gedenkstätte“ verlangt. Die drei Parteien lehnten das ab. „Salzburgs Landtag hat im Umgang mit der Vergangenheit wieder einmal kläglich versagt"“, kritisierte daraufhin die Grün-Abgeordnete Heidi Reiter.

Nicht nur, dass man sich dagegen verwehrte, das Zitat zu vervollständigen, man verfolge weiter vor Gericht den Münchner Künstler Wolfram P. Kastner wegen schwerer Sachbeschädigung, weil dieser mit Studenten der Sommerakademie den Satz mit Filzstift auf der Gedenktafel zu Ende geschrieben hatte.

Theodor Herzl, der Begründer des Zionismus und Vater des Staates Israel, hatte in Salzburg gelebt. Also wurde ihm eine Gedenktafel gewidmet. Allerdings mit „einem halben verharmlosenden Zitat, das für oberflächliche Tourismuswerbung missbraucht wird" (Reiter).

Der Tafeltext: „In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens zu.“ Der Rest der Wahrheit fehlt: „Ich wäre auch gerne in dieser schönen Stadt geblieben, aber als Jude wäre ich nie zur Stellung eines Richters befördert worden"“

Die Ergänzung wurde mit dem Hinweis abgelehnt, Herzl habe nie um einen Posten als Richter angesucht, könne also nicht gewusst haben, ob er das Amt nicht doch bekommen hätte.

„Lehnen verbale Flegeleien wie in Kärnten und Ried ab.“SP-KLUBCHEF W. THALER

Kurier 22.2.2002

 
Kultur News
Herzl und die halbe Wahrheit

In Salzburg diskutiert man um eine neue Gedenktafel für Theodor Herzl.


Ein verkürztes Zitat auf einer Gedenktafel für Theodor Herzl sorgt in Salzburg weiter für Diskussionen. Jetzt forderten die Grünen im Landtag die Landesregierung auf, eine neue Gedenktafel mit dem vollständigen Text anzubringen.

"In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens zu." Diesen Satz hat Herzl über jene Stadt, in der er 1885 ein Gerichtspraktikum absolvierte, geschrieben. Der zweite Teil des Zitats wurde verschwiegen: "Ich wäre auch gerne in dieser schönen Stadt geblieben; aber als Jude wäre ich nie zur Stellung eines Richters befördert worden." Der Münchner Wolfram P. Kastner vervollständigte im vergangenen Sommer das Zitat gemeinsam mit Studenten der Sommerakademie handschriftlich und sieht sich nun mit einer Klage wegen schwerer Sachbeschädigung konfrontiert. Die Grünen fordern Landeshauptmann-Stellvertreter Wolfgang Eisl (V) auf, die Klage zurückzuziehen. c.l.

Die Presse, 21.02.2002

 
Herzl-Zitat beschäftigt Landtag

SALZBURG: Grüne fordern neue Gedenktafel mit vollständigem Text

Salzburg - Die umstrittene Gedenktafel, welche an die Salzburger Jahre des Begründers des Zionismus Theodor Herzl erinnern soll, beschäftigt nun auch den Salzburger Landtag. Die Grünen beantragen, das Land solle die am Neugebäude der Residenz angebrachte Tafel entfernen und durch eine neue ersetzen.

Anlass ist ein Antrag der SP zum "bewussten und wahrheitsgetreuen Umgang mit dem geschichtlichen Erbe". Wie vom STANDARD berichtet, steht derzeit der Tagebucheintrag Herzls "In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens zu", auf der Marmortafel zu lesen.

Der Münchener Aktionskünstler Wolfram Kastner hatte vergangenes Jahr den Satz handschriftlich vervollständigt: "Ich wäre auch gerne in dieser schönen Stadt geblieben, aber als Jude wäre ich nie zur Stellung eines Richters befördert worden", notierte Theodor Herzl über sein am Salzburger Landesgericht absolviertes Rechtsreferendariat nämlich weiter. Diese künstlerische Aktion hatte Kastner eine Anzeige wegen schwerer Sachbeschädigung eingebracht.

In einem weiteren Antrag verlangt die Grün- Abgeordnete Heidi Reiter vom ressortzuständigen Landeshauptmannstellvertreter Wolfgang Eisl (VP) daher, dass das Land die Anzeige gegen Kastner zurückzieht, da dieser einen "wesentlichen Beitrag zur Geschichtsbewältigung" geleistet habe. (neu)

Der Standard, 2001-02-21

 

SALZBURG: STRAFVERFAHREN

Die Stadt Salzburg brachte 2001 eine Marmortafel an, die ein Zitat von Dr. Theodor Herzl wiedergibt. Der Begründer des Zionismus hatte als junger Jurist seine Referendarzeit am Salzburger Landgericht abgeleistet und in seinem Tagebuch notiert, in Salzburg habe er einige der glücklichsten Stunden seines Lebens verbracht. Dies ist nun auf der Marmortafel zu lesen, wobei aber der nächste Satz in dem Tagebuch weggelassen wurde, Herzl wäre auch gerne in Salzburg geblieben, aber dort hätte man ihn als Juden nie zum Richter befördert. Die Künstler Wolfram P. Kastner und Martin Krenn nahmen zusammen mit Studierenden der Salzburger Sommerakademie auf der Marmortafel eine "handschriftliche Vervollständigung des Zitats" vor. Mit der "Rückgabe des unterschlagenen Wortes" protestierten sie gegen den "Missbrauch des Zitats zu touristischen Werbezwecken". Das "Beharren" der Salzburger Stadtoberen auf der verkürzten Wiedergabe des Zitats bezeichnet Kastner in einer Pressemitteilung als "subtile Form von latentem Antisemitismus". Inzwischen hat das Salzburger Landgericht gegen Kastner ein Strafverfahren wegen "schwerer Sachbeschädigung" eingeleitet und ein deutsches Gericht um Amtshilfe ersucht.

Kunstforum international, Rubrik Aktionen-Projekte-Kunst im öff. Raum
 
Gegen halbes Zitat

Das halbe Herzl-Zitat auf der Gedenktafel in Salzburg soll ergänzt werden, nachdem sich Bundespräsident Thomas Klestil eingeschaltet hat.

SALZBURG-STADT (SN-alf). "In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens zu." Dieses Zitat von Theodor Herzl, dem Begründer des Zionismus, prangt auf einer Gedenktafel an der Neuen Residenz. Für Aufregung sorgte dieser Spruch, weil der zweite Teil des Zitats nicht aufscheint. ". . . aber als Jude wäre ich nie zur Stellung eines Richters befördert worden".

Das oft kritisierte halbe Zitat beschäftigt nun auch Bundespräsident Thomas Klestil. In einem Brief an Bgm. Heinz Schaden (SPÖ) schreibt Klestil, dass "gerade in Österreich mit dem Andenken an Theodor Herlz besonders sensibel umgegangen werden sollte". Er würde es begrüßen, wenn es eine Einigung über das vollständige Zitat geben könnte.

Über das halbe Zitat war der Bundespräsident vom Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, Wolfgang Neugebauer, informiert worden. Ebenso über die Vorgeschichte. Etwa, dass der Künstler Wolfram Kastner den Spruch mit der Hand vervollständigt hatte und dafür wegen schwerer Sachbeschädigung angezeigt worden war. Und dass sich Stadt und Land weigern, den ganzen Spruch auf der Gedenktafel zu veröffentlichen.

Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) kann sich nach den Protesten und der Intervention des Bundespräsidenten nun doch eine Änderung des Zitats vorstellen. Er habe sich nochmals mit der Israelitischen Kultusgemeinde in Verbindung gesetzt, schreibt Schaden an Klestil. Die Kultusgemeinde solle entscheiden, ob das Zitat in der bisherigen Form beibehalten oder der vollständige Satz auf der Gedenktafel wiedergegeben werden soll.

Kultusgemeinde
soll entscheiden

Falls der Wunsch geäußert wird, das Textzitat zu verändern, zu ergänzen oder zu vervollständigen, würde er diesem Wunsch selbstverständlich nachkommen, so der Salzburger Bürgermeister. Die bisherige Form des Zitates sei ebenfalls auf Wunsch der Israelitischen Kultusgemeinde zu Stande gekommen. Er persönlich habe auf den Text keinen Einfluss genommen.

Salzburger Nachrichen, 2002-06-05

// offener Brief der IG Bildende Kunst an die Salzburger Landes- und Stadtregierung

Wien, im Februar 2002

Sehr geehrte Damen und Herren der Salzburger Landesregierung!
Sehr geehrte Damen und Herren der Salzburger Stadtregierung!

Mit Erschütterung haben wir letzte Woche gelesen, mit welchen Mitteln in Österreich gegen KünstlerInnen vorgegangen wird, die sich um eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit bemühen. Künstlerische Freiheit endet offensichtlich dort, wo sie zu Kritik an politischen EntscheidungsträgerInnen führt.

Es geht um das eingeleitete Strafverfahren gegen Wolfram P. Kastner, der am 29. August 2001 gemeinsam mit Martin Krenn und Studierenden der Salzburger Sommerakademie das Zitat auf der Salzburger Gedenktafel für Theodor Herzl um einen entscheidenden Satz aus Herzls Tagebuch ergänzte. Während auf der Tafel ausschließlich geschrieben steht "In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens zu.", fügten die KünstlerInnen folgenden Nachsatz handschriftlich hinzu: "Ich wäre auch gerne in dieser schönen Stadt geblieben, aber als Jude wäre ich nie zur Stellung eines Richters befördert worden." Nun - ein halbes Jahr später - sieht sich Kastner mit einer Anzeige wegen schwerer Sachbeschädigung konfrontiert. Am 14. Februar 2002 ist Kastner zu einer "Abhörung" vorgeladen.

Die Verlagerung der Diskussion auf Sachbeschädigungsvorwürfe bekommt den unangenehmen Beigeschmack, auf diesem Weg vom Faux-Pas Salzburgs abzulenken, der sich mit der Anbringung einer solchen Gedenktafel geleistet wurde und offensichtlich noch immer geleistet wird.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist eine derartige Entkontextualisierung eines Zitats höchst unseriös - von der moralisch Verwerflichkeit der inhaltlichen Verzerrung in diesem speziellen Fall ganz zu schweigen! JedeR JournalistIn, die / der heute z.B. ein aktuelles PolitikerInnenzitat in einen öffentlichen Medium derart sinnverändernd wiedergeben würde, müsste mit ernsthaften juristischen Problemen rechnen. Umso bedenklicher erscheint es daher, dass eine einmal aufgezeigte sinnentstellte Zitatverwendung im öffentliche Raum scheinbar jeder Enttarnung zum Trotz - von den politisch Verantwortlichen gedeckt und offensichtlich gewollt - weiter existieren kann!

Mit dem Auftrag zur Übermalung der Zitatergänzung legen Sie als verantwortliche LandespolitikerInnen ein Bekenntnis zur Manipulation von Geschichte ab!

Die Verschleierung unangenehmer historischer Tatsachen gerade im Bereich Antisemitismus zeigt sich dabei als sehr spezifisch österreichisches Phänomen der Nachkriegszeit. Eine Strategie, die erschreckenderweise auch heute noch verfolgt zu werden scheint und sich offensichtlich nicht auf Ereignisse während der Zeit des nationalsozialistischen Terrorregimes beschränkt.

Dabei haben uns gerade die Diskurse der späten 1980er Jahre gezeigt, dass das Beharren auf der sogenannten "Opferthese" (Österreich sei erstes Opfer der Hitler'schen Angriffspolitik gewesen...) und die damit einhergehende Distanzierung von jeglichen antisemitischen Handlungen innerhalb der eigenen Reihen ein nicht länger akzeptabler Umgang mit der Geschichte Österreichs ist.

Jedes Denkmal, jede Gedenktafel, jede Zeichensetzung im öffentlichen Raum hat immer auch repräsentativen Charakter für die AuftraggeberInnen. Wir appellieren daher an die gesellschaftspolitische Verantwortung der Stadt und des Landes Salzburg, den Hinweis der KünstlerInnen als positiven Anstoß aus der Zivilgesellschaft aufzugreifen und anhand der Gedenktafel für Theodor Herzl einen verantwortungsbewussten Umgang mit Geschichte zu demonstrieren. Eine Ergänzung des Zitats ist nicht nur notwenig, um der historischen Realität gerecht zu werden, sondern stellt auch eine Chance für Salzburg dar, auf Fehler in der Vergangenheit zu reagieren und daraus Konsequenzen zu ziehen.

Da wir außerdem nicht glauben, dass der Status Quo der Lage in Ihrem Sinne sein kann, hoffen wir, dass Sie sich für eine Lösung einsetzen, die nicht darauf abzielt einen engagierten Künstler mit juristischen Mitteln mundtot zu machen.

Deshalb unsere abschließenden Fragen: Wer ist verantwortlich für die bestehende Gedenktafel und die Auswahl des Zitats? Wie gedenken Sie, mit dieser Gedenktafel in Zukunft umzugehen? Welche weitere Strategie verfolgen Sie im Umgang mit dem Künstler Wolfram P. Kastner?

Mit der Bitte um Stellungnahme verbleiben wir mit freundlichen Grüßen

Daniela Koweindl
f. d. IG BILDENDE KUNST
www.igbildendekunst.at